Sehr geehrte Mitarbeiter von Erziehungsberatungsstellen,
immer wieder wenden sich traumatisierte Mütter an Mütterinitiativen, um von ihren Erfahrungen mit Erziehungsberatungsstellen zu berichten. Und fast immer laufen die Gespräche ähnlich ab, nämlich folgendermaßen:
Die Mutter hat ein Kind, das sie beschützen möchte vor dem Vater des Kindes. Der Vater hat das Kind entweder sexuell missbraucht, schwere körperliche Gewalt angewendet, schwere psychische Gewalt angewendet (mit häufig schweren physischen psychosomatischen Folgen für das Kind) oder Mutter und Kind bedroht. Es ist klar ersichtlich, dass dieser Vater einen großen Schaden für das Kind bedeutet, wenn er weiter Zugang erhält. Teilweise ist ein dauerhafter Schaden sogar schon entstanden.
Schwer schockiert von den Erlebnissen mit dem Vater des Kindes wendet sich die Mutter angstvoll an eine Beratungsstelle. Dort erwartet sie Hilfe. Doch dann kommen Beraterinnen wie Sie ins Spiel: Sie erklären der Mutter, dass es gut sei für ein Kind, wenn es einem sexuellen Missbraucher oder Gewalttäter ausgeliefert wird, weil dieser Mann ja sein Vater sei.
Was Sie bei der Mutter anrichten, wird Ihnen gar nicht bewusst sein. Vermutlich denken Sie sich gar nichts dabei und wollen der mal klaren Wein einschenken, wie väterliche Gewalt (und hier geht es nicht um einen Klaps auf den Hintern oder einen Abwehrtritt gegen ein tretendes Kind) hier so gesehen wird, nämlich völlig unkritisch. Das hat man als Mutter zu akzeptieren, und als Kind, zum eigenen Wohl, zu ertragen.
Aber während Sie diese Mutter in drei Wochen nach unzähligen anderen Gesprächen vergessen haben, wird diese Mutter Sie nie mehr vergessen. Sie wird Ihren Namen vielleicht vergessen, Ihr Gesicht, Ihre Mimik, Ihre Gestik, Ihre Worte aber nie mehr. Sie geht im Schock aus diesem Gespräch heraus. Ihr wird klar, wie ohnmächtig sie in diesem Land ist, in dem es als moralisch verwerflich angesehen wird, sein eigenes Kind zu beschützen.
Sie kann viele Tage nicht mehr schlafen, und das Gespräch mit Ihnen brennt sich in ihr Gedächnis ein. Wie soll eine Mutter einsehen, dass es doch gut für das Kind ist, zu einem schädigenden Vater zu gehen. Aus der Ohnmacht, aus dem Schock durch das Gespräch mit ihnen entwickelt sich ein Trauma.
Viele Mütter berichten, dass die Erlebnisse mit dem Vater des Kindes schlimm waren, aber noch viel schlimmer seien die Reaktionen der Beratungsstellen gewesen. Diese haben die Mütter erst richtig traumatisiert, das Trauma geradezu potenziert. Häufig werden die Mütter von solchen Gesprächen psychisch krank.
Jedes Flugzeugentführungsopfer, jeder Zeuge eines Amoklaufs hat ein Recht auf seine Gefühle. Er wird gehört, er wird betreut. Und auch 20 Jahre später darf er noch mit Marotten leben, die ihm die Menschen verzeihen. Und selbstverständlich wird er die Verbrecher nie mehr in seinem Leben sehen müssen, außer vielleicht auf einer Anklagebank.
Für eine Mutter gibt es diesen Ausgang aus dem Trauma nicht. Sie muss zum Vater weiter Kontakt halten, ihre Gefühle werden nicht akzeptiert, die Beratungsstellen stellen sich auf die Seite der Täter. Das ist brutale psychische Gewalt gegen Mütter und Kinder.
In vielleicht dreißig Jahren, wenn die heutigen Opfer (hier die Kinder) vierzig sind, werden vermutlich lange Reportagen in der Presse erscheinen, über Kinder, die nun nach langen Therapien, an die Öffentlichkeit gegangen sind, die in alten Gerichtsakten suchen und dort Berichte von Sozialarbeitern lesen, in denen diese den Kontakt zum missbrauchenden oder gewalttätigen Vater befürworten, weil er der Vater sei. Und diese Sozialarbeiter, inzwischen ergraut und in Rente, werden antworten: Ja, es war doch damals nun mal so….man kennt diese Nachher-Sprüche aus anderen Zeiten nur zu gut.
Aber ich kann Ihnen sagen: es ist nun mal nicht so. Jeder hat einen eigenen Verstand. Und dieses Verstandes können sich einigermaßen intelligente Menschen auch bedienen. Ich bitte Sie, sich Gedanken zu machen, ob Sie Kinderleben wirklich einer Ideologie opfern wollen. Der Väter-Ideologie.
Eine Mutter